Die klassischen Arrangement-Strategien (Teil 1)

Der Song ist geschrieben, die Lyrics der Hammer, die Melodie ein Ohrwurm. Die Harmonien gehen glatt ins Ohr und der Beat groovt ohne Gnade. Aber wie bekommt man die Nummer jetzt auf 3 ½ Minuten abwechslungsreich gestaltet? Strophe und Ref­rain sollen sich wohl irgendwie unter­scheiden, aber was ist mit Strophe 1 und Strophe 2? Und ist der dritte Refrain anders als der erste? Was ist mit der Besetzung? Genügen die verfügbaren Band-Instrumente, oder sollen es doch noch Backing-Vocals, ein Rhodes, eine Hammond und ein Bläsersatz sein?

Zu diesem Themenkomplex hat sich der britische Songwriting-Experte Rikky Rooksby Gedanken gemacht und unter anderem eine Liste von 8 typischen Arrangement-Methoden aufgestellt, auf die er in seiner Tätigkeit als Songwriter, Komponist, Buch- und Artikel­autor immer wieder gestoßen ist. Es lohnt sich, sich diese 8 Grundformen einmal klar zu machen. Alle davon wird man in unzähligen Beispielen wieder finden.

Minimales Arrangement

Norah Jones

Gewinnt Grammys mit ihren minimalistischen Arrangements: Norah Jones (Quelle)

In diesem Typ von Arrangement spielen einerseits wenige Instrumente mit, andererseits werden diese auch in einem „minimalistischen Sinne“ gespielt. Im minimalen Arrangement herrscht ein Gefühl der Zurückhaltung nach dem Prinzip „weniger ist mehr“. Pausen und ihre Wirkung werden genutzt und Töne, die dann gespielt werden, erhalten mehr Bedeutung.

Ein Effekt bei einem solchen Arrangement kann sein, dass es die Musiker kreativer macht – der musikalische Inhalt muss mit einem begrenzten Satz an Instrumenten transportiert werden, so dass man gezwungen ist, die Möglichkeiten seines Instrumentes auszuloten. Gleichzeitig fokussiert die Begrenzung auf das musikalisch Wesentliche.

Beispiele

  • Der Gesang und die Gitarren von Nick Drake’s „Pink Moon“ (1972) wurden in zwei Sessions aufgenommen.
  • Bruce Springsteen’s „Nebraska“ (1982) ist in einer 4-Spur-Aufnahme mit Gitarren, Mundharmonik und Gesang entstanden.
  • Das Debut-Album „Tracy Chapman“ (1988) von Tracy Chapman basiert auf dem Gesang und Gitarrenspiel der Songwriterin und der Begleitung von einer Rhythmusgruppe.
  • Ein Paradebeispiel für diese Gestaltungsart ist sicherlich Norah Jones mit „Come away with me“ (2002).
  • Arrangements der „White Stripes“ kommen ganz ohne Bass aus.

Es ist weiterhin möglich, die Minimal-Variante nicht im ganzen Song, sondern nur in einem Teil des Songs zu nutzen, um einen Kontrast zum Vorangegangenen zu schaffen und den nachfolgenden Teil umso mächtiger wieder einsetzen zu lassen. Ein zusätzlicher Aspekt ist, dass der Sänger/das Solo in dieser minimal begleiteten Passage automatisch mehr in den Vorder­grund tritt.

Maximales Arrangement

Das Ziel in einem Maximalen Arrangement ist, einen großen, epischen Sound zu erreichen. Als Mittel dazu ist zunächst einmal kein Instrument ausgeschlossen und keine Anzahl an Overdubs zu hoch. So kann auch eine Vierer­formation mit den heutigen Mitteln eine wesentlich größere Besetzung simulieren, durch Overdubs von Gitarren- und Gesangsparts beispielsweise.

Gerne werden auch zum üblichen Rock­instrumen­tarium Instrumente hinzugefügt, um einen breiten Sound zu erreichen, z.B. Streicher- oder Bläser­gruppen, eventuell ein ganzes Orchester oder ein Chor. Gerade die virtuellen Instrumente und Sample-Libraries halten hier die Kosten und den Aufwand überschaubar – das Ergebnis kann dennoch spektakulär sein! Eine wichtige Rolle werden oft auch Delays und Hallräume spielen, die das einzelne Instrument gewichtiger klingen lassen.

Beispiele

Blind Guardian

Geizen nicht gerade mit den Tönen – Mächtiger Sound ist angesagt bei Blind Guardian (Quelle)

  • Die Beatles  mit „All you need is love“ (1967) vergrößern ihre Basis-Besetzung deutlich.
  • David Bowie  mit „Life on Mars” (1971) setzt unter anderem Streicher, Overdubs und Delays ein, um seinen Sound zu maximieren.
  • Queen haben mit Overdub-Meisterwerken wie „Bohemian Rhapsody” (1975) die Musiklandschaft geprägt.
  • Die Smashing Pumpkins verwenden die in Teilen von „Soma“ auf „Siamese Dream“ (1993) bis zu 40 Gitarren-Overdub-Spuren.
  • Blind Guardian brauchen teilweise Jahre für ihre Alben, da sie ihre Besetzung durch Overdubs von Gesangparts, Rhythmusgitarren, Leadgitarren und Hintergrundmelodien erweitern – so z. B. in „Nightfall“ (1998).

Ein eindrucksvoller Sound lässt sich durch die schlichte Steigerung der Anzahl an Instrumenten allerdings nicht unbedingt erreichen – ein Gitarrenriff, was von 15 Gitarren gespielt wird, klingt nicht 15 mal so gut, wie manche Band anfangs möglicherweise erwartet. Vielmehr sollte jede Overdub-Spur  dem Klang etwas Neues hinzu­fügen (oder jedes neue Orchester­instrument), so dass sich die verschiedenen Klang­farben zu einem großen Ganzen ergänzen.

The Reihe goes on

So, nun habt ihr die beiden Extreme schon einmal kennen gelernt – brachialer Sound oder extreme Zurückhaltung. Nach einer Unterbrechung der Arrangement-Reihe mit anderen Themen geht es später mit den verschiedenen Zwischenstufen oder Kombinations­möglichkeiten weiter.

Danke fürs Lesen – bleibt uns treu und empfehlt uns weiter,
Euer Gastautor Christian Villwock

Quellen: Rooksby, Rikky: Arranging songs. How to put the parts together. Backbeat Books, New York 2007

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